Seit dem 01.04.2015 ist die neue Sperrgebietsverordnung für Saarbrücken ein Jahr in Kraft. Sie hat das erklärte Ziel die Straßenprostitution einzudämmen nachdem Saarbücken als „Hauptstadt der Prostitution“ bundesweit in die Schlagzeilen gekommen war. Straßenprostitution hat es hier zwar immer schon gegeben; durch die EU-Osterweiterung hat sich das Erscheinungsbild jedoch verändert: Sie ist vor allem wegen verschiedener Begleiterscheinungen sichtbarer geworden. Diese Veränderung hat auch andere Großstädte betroffen, und im Unterschied zu Saarbrücken waren diese zum Teil von einer erheblichen Ausweitung betroffen; keine andere Stadt erhielt jedoch diese mediale Aufmerksamkeit und den entsprechend negativen Titel.
Frühere Reaktionen auf Prostitution etwa um den St. Johanner Markt, das Nauwieser Viertel oder das Drogenhilfezentrum waren insbesondere Sanierungsmaßnahmen, Verkehrsberuhigungen, Fußgängerzonen und die Einrichtung sozialer Projekte. Diese städtebaulichen Maßnahmen und sozialen Projekte haben die unterschiedlichen Situationen positiv verändert.
Dieses Mal hat man auf ein anderes Mittel gesetzt: Obwohl es in Saarbrücken bereits eine Sperrgebietsverordnung gab und ein großer Teil der Beschwerden aus dem vorhandenen Sperrgebiet kamen, hat man nicht von den bereits vorhandenen Möglichkeiten Gebrauch gemacht sondern mit der neuen Sperrgebietsverordnung die Straßenprostitution sowohl räumlich auf wenige Kilometer begrenzt hat als auch zeitlich eingeschränkt auf die Abend- und Nachtstunden.
Nach einem Jahr kann festgestellt werden, dass die Straßenprostitution in Saarbrücken kaum mehr sichtbar ist und auch die Beschwerden aus der Bevölkerung sind stark zurück gegangen. Erreicht wurde dies durch intensive Kontrollen der Polizei, die in Zusammenarbeit mit dem Städtischen Ordnungsamt für das Einhalten der Regeln sorgen. Wegen Verstößen kam es zu über 100 Bußgeldverfahren, wegen hartnäckigen und wiederholten Verstößen sogar zur Einleitung von über 150 Strafverfahren, und zwar ausschließlich gegen die Prostituierten. Halten sie sich nicht an die Regeln, kommt es zu entsprechenden Abzügen vom „Hurenlohn“ und mindestens 250 Euro sind an die Staatskasse zu entrichten. Dieser Betrag verdoppelt bzw. verdreifacht sich beim zweiten und dritten Verstoß. Damit wird nicht nur die Armut der Frauen verstärkt sondern völlig ausgeblendet, dass es nicht selten „Beschützer“ sind, die von den Frauen die Regelverstöße verlangen.
Somit zahlen ausschließlich die Prostituierten den Preis der Sperrgebietsverordnung, obwohl noch ganz andere Akteure das Erscheinungsbild prägen. Diese sind jedoch völlig aus dem Blickfeld geraten.
Diese Kriminalisierung hat auch weitere Folgen: Die Anzahl der Straßenprostituierten ist nicht grundsätzlich rückläufig und hat zu einen verschärften Konkurrenzdruck der Frauen untereinander geführt Folge mit Revierkämpfen um die besten Plätze auch unter Beteiligung der „Beschützer“ der Frauen. Durch immer leichtere Bekleidung bis hin zu derem völligen Fehlen versuchen sie nachts entsprechend auf sich aufmerksam zu machen. Dabei dürfte es sich am gravierendsten auswirken, dass der größte Teil des zulässigen Straßenstrichs- im Deutschmühlental- völlig im Dunkeln liegt und über keinerlei Infrastruktur verfügt: Nicht nur dass dringend notwendige Toiletten fehlen, es fehlt auch jegliche Beleuchtung. Die einzige helle Stelle ist eine Bushaltestelle und diese liegt wiederum im Sperrgebiet. Beschwerden über Verschmutzungen sind vorprogrammiert .
Diese Umstände führen aber nicht dazu, dass die Straßenprostitution für Freier unattraktiver geworden wäre. Wäre dem so, so hätte man tatsächlich die Straßenprostitution eingedämmt. Da die Anzahl der Straßenprostituierten konstant geblieben sein dürfte und die Wagenflotte der „Beschützer“ entsprechend hochpreisig ist, darf man davon ausgehen, dass der Straßenstrich immer noch zu attraktiven Einkommensmöglichkeiten führt. Die Maßnahmen treffen somit ausschließlich das schwächste Glied in der Kette.
Man ist sich sowohl einig darüber, dass es sich überwiegend um Armutsprostituierte handelt als auch, dass dieses Gewerbe mit erheblichen Gefahren und Risiken verbunden ist, insbesondere wegen aggressiver Freier. Dies gilt gerade für die Straßenprostitution. Diese Gefahren haben unbestrittene psychische und auch physische Auswirkungen. Deren Ausmaß hängt wesentlich von den Bedingungen ab, unter denen Prostitution ausgeübt wird. Trotzdem wird keine einzige Maßnahme zum Schutz der Frauen getroffen. Und dies unterbleibt trotz der Forderungen der EU gegenüber Deutschland Frauen wirksam vor sexueller Gewalt zu schützen. Schutz von Prostituierten sieht anders aus. Dieser wäre aber gerade dann umso mehr geboten, wenn man davon unterstellt, Frauen würden sich nicht „freiwillig“ prostituieren.
Dabei hätte es durchaus die Möglichkeit gegeben die Nachfrageseite in die Verantwortung zu nehmen: die Freier. Oft sind es gerade sie, die durch ihr Verhalten für Empörung sorgen indem sie an völlig unbeteiligten Frauen vorbeifahren, sie sogar ansprechen und verärgern .